geb. 14. Januar 1922 in Hildesheim
gest. 7. Dezember 2023 in Detroit, Michigan (USA)
Guy Stern wurde 1922 als Günther Stern in Hildesheim geboren, besuchte das Andreas-Realgymnasium (später: Scharnhorstgymnasium) und emigrierte 1937 als 15-Jähriger in die USA. Seine in Hildesheim verbliebene Familie – Vater, Mutter und zwei Geschwister – die er erfolglos nachzuholen versuchte, wurde im April 1942 nach Warschau deportiert. Die Familie (Julius und Hedwig Stern mit den Kindern Eleonore und Werner Stern) ist vermutlich im Warschauer Ghetto bzw. in Auschwitz umgekommen.
Guy Stern, wie er sich seither nannte, meldete sich in den USA freiwillig zum Kriegsdienst und landete dann 1944 kurz nach Invasionsbeginn mit den „Ritchie Boys“, einer überwiegend aus Emigranten bestehenden Spezialeinheit des Militärnachrichtendienstes, in der Normandie. Er verhörte bis Kriegsende deutsche Kriegsgefangene und Überläufer.
Er studierte nach dem Krieg an verschiedenen amerikanischen Universitäten und promovierte 1953 als Germanist. Nach Lehrtätigkeit an der Columbia University New York City wurde er 1963 zum Professor für deutsche Sprache und Literatur ernannt. 1978 wurde er an die Wayne-State-University in Detroit als Professor berufen. Er lehrte hier deutsche Literatur und Kulturgeschichte. Wiederholt führten ihn Gastprofessuren nach Deutschland, zuletzt nach Frankfurt und auch nach Leipzig. Guy Stern gilt als bedeutender und maßgeblicher Vertreter der deutschen Exilliteraturforschung in den USA.
Stern erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1987) und die Goethe-Medaille (1989). 1998 hielt er zum sechzigsten Jahrestag der Reichspogromnacht im Bonner Bundestag einen Vortrag. Als Autor und Herausgeber veröffentlichte er zahlreiche Bücher und Sammelwerke zur deutschen Literaturgeschichte, insbesondere zur Emigranten- und Immigrantenliteratur.
In zahlreichen Beiträgen äußerte er sich interessiert und informierend über seine Kindheit und beginnende Jugend in Hildesheim. Kontakte zur Stadt bestehen spätestens seit seiner Rede bei der Einweihung des Synagogen-Denkmals am Lappenberg 1988. Stern gehört – wie auch der bedeutende Nobelpreisträger Hans Adolf Krebs – zu jenen Emigranten, die sich liebevoll ihrer Heimatstadt erinnerten, sie immer wieder gern besuchten und als herausragende Persönlichkeiten ein Aushängeschild für die Stadt sind. Guy Stern ist ein Mann von hoher internationaler Reputation, ein bedeutendes „Hildesheimer Kind“, das trotz des traumatischen Verlustes seiner Eltern und Geschwister die Verbindung zu seiner Heimatstadt gewahrt hat.
Guy Stern war in den letzten Jahren regelmäßig auch in Hildesheim zu Gast, u. a. als Vortragender vor dem Heimat- und Geschichtsverein und als Redner bei der 2003 vom Stadtarchiv in Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Moses Mendelssohn Institut und den hiesigen Gymnasien veranstalteten „Tagen der Erinnerung“.
Am 5. März 2012 verlieh der Rat der Stadt Hildesheim Prof. Stern das Ehrenbürgerrecht.