Datum der Benennung:
04.05.2022
Stadtteil:
Zentrum
Zum Namen:
Als Hildesheimer Kommunalpolitikerin war das Leben von Marie Wagenknecht (13.09.1885–22.11.1970) durch den Einsatz für die Demokratie und die soziale Gerechtigkeit geprägt. Sie engagierte sich vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis in die Bundesrepublik über insgesamt 18 Jahre ehrenamtlich in der Kommunalpolitik. Nach Einführung des Frauenwahlrechts wurde sie am 2. März 1919 in Hildesheim bei der ersten Kommunalwahl für die SPD als Bürgervorsteherin gewählt, zusammen mit drei weiteren Frauen und 44 Männern. Am 12. März 1933 zog sie letztmals für die SPD ins Bürgervorsteherkollegium ein. Im gleichen Jahr wurde sie von den Nationalsozialisten aus ihrem Amt gedrängt und stand bis 1945 unter Beobachtung der Gestapo. Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sie sich am demokratischen Wiederaufbau der kommunalen Selbstverwaltung in Hildesheim und wurde am 28. November 1948 in den Stadtrat gewählt, dem sie bis zum 8. November 1952 als Ratsfrau angehörte.
Marie Wagenknecht zählt zu den Gründerinne der Hildesheimer Arbeiterwohlfahrt 1920 und fungierte von 1922 bis 1933 als deren Vorsitzende. Nach 1945 engagierte sie sich beim Wiederaufbau der AWO und wurde zur Ehrenvorsitzenden ernannt. Am 26. Oktober 1970 erhielt für ihre Verdienste um die Stadt Hildesheim den Ehrenring. Dabei wurde ihr besonderes Engagement für die städtische Armenpflege in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg hervorgehoben.
Die heutige Marie-Wagenknecht-Straße hat bereits mehrere Umbenennungen erfahren. Sie hieß ab 1865 "Peiner Straße" und wurde 1939 nach dem Gründer der ehemaligen deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika in "Carl-Peters-Straße" umbenannt. Nach kontroversen Diskussionen über Carl Peters, der wegen seiner menschenverachtenden Behandlung der einheimischen Bevölkerung berüchtigt war, wurde die Straße 1989 nach dem Hildesheimer Ehrenbürger Heinrich-Maria Janssen (1907–1988), von 1957 bis 1982 Bischof von Hildesheim, umbenannt, der sich Verdienste u.a. um die Eingliederung der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen und der Errichtung neuer Gemeinden und Kirchen im Bistum erworben hatte. 2015 wurden allerdings erstmals zahlreiche Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben. Ein 2021 veröffentlichtes Gutachten erbrachte den Nachweis, dass Bischof Janssen Priester, die sich an Kindern und Jugendlichen sexuell vergangen hatten, schützte und sie weiterhin im kirchlichen Dienst beließ. Eine daraufhin eingesetzte AG sprach sich im Frühjahr 2022 einstimmig für eine Umbenennung der Bischof-Janssen-Straße aus. Am 4. Mai 2022 entschied der Ortsrat Stadtmitte/Neustadt auf Empfehlung der AG, die Straße in "Marie-Wagenknecht-Straße" umzubenennen.