Frühe Anfänge
Hildesheim tritt im Jahre 815 als neuer Bischofssitz, errichtet durch Kaiser Ludwig den Frommen, in das Licht der Geschichte. Neuesten namenkundlichen Forschungen zufolge dürfte der Ort aber weitaus älter sein. Die strategische Bedeutung der Ortslage in der Nähe eines Übergangs über die Innerste und an einer für die damaligen Verhältnisse viel genutzten Ost-West-Verkehrsachse ist unverkennbar. Erster Bischof wurde der vermutlich aus Reims stammende Kanoniker Gunthar. Der auf einem Hügel oberhalb des Flusses Innerste errichtete Dom bildete den Mittelpunkt einer ersten Ansiedlung von Kaufleuten und Handwerkern.
Unter dem kunstsinnigen Bischof Bernward, dem Erzieher des späteren Königs Otto III., bekam die Siedlung im Umfeld der Domburg mit der Errichtung der Michaeliskirche (Grundsteinlegung 1010) auf einem Hügel nördlich des Doms einen zweiten Schwerpunkt. Ein dritter Siedlungsbereich entstand im 11. Jahrhundert östlich der Verbindungslinie zwischen Dom und Michaeliskirche, der zum eigentlichen Ausgangspunkt der Stadtentwicklung Hildesheims wurde: Es handelt sich um das Gebiet zwischen dem "Alten Markt" und der östlich davon gelegenen Bürgerkirche St. Andreas, die offenbar auf den Bischof Godehard, den Hildesheimer Stadtpatron, zurückgeht.
Stadtwerdung
Im Jahre 1167 erscheint Hildesheim als nahezu vollständig ummauerte Marktsiedlung. 1217 wird erstmals ein eigenes Rathaus erwähnt. 1236 sind die ersten Ratsherren der Stadt urkundlich nachgewiesen. Um 1249 erhielt die Stadt von Bischof Heinrich I. ein Stadtrechtsprivileg, in dem die Befugnisse des bischöflichen Vogtes in der Stadt festgelegt sind, in dem sich aber auch schon der bemerkenswerte Satz "Stadtluft macht frei" findet. Bald nach 1268 begann der Bau eines neuen (des heutigen) Rathauses auf dem neuen Marktplatz, deutliches Zeichen der weiteren Ausdehnung der Stadt nach Osten.
Autonomiebestrebungen
Der Stadt gelang es seither, sich immer stärker vom landesherrlichen Einfluss zu befreien. Um 1300 schuf sie sich unabhängig vom bischöflichen Landesherren ein eigenes Stadtrecht. Die Privilegierungen der Zünfte und Gilden geschahen seit 1310 nicht mehr durch den Landesherrn, sondern lagen seither in der Kompetenz des Rates. Die Bischöfe versuchten vergeblich, mit Hilfe von Burgenbauten im Norden und Süden der Stadt (Steuerwald 1310; Marienburg 1346) gegen die "unbotmäßige" Stadt vorzugehen. Die weitgehend unabhängige Stellung der Stadt ergab sich unter anderem durch eine geschickte Bündnispolitik mit den Landesherren der welfischen Nachbarterritorien. Zu nennen ist auch die Zugehörigkeit Hildesheims zur Hanse von ihren Anfängen im 13. Jahrhundert bis hin zum Ende dieses Städtebundes im 17. Jahrhundert. Enge Bündnisbeziehungen unterhielt man unter diesem "Dach" vor allem mit den Nachbarstädten Braunschweig und Goslar. Militärische Auseinandersetzungen zwischen der Stadt und dem Landesherrn - geführt etwa wegen der Wahrung des Bierprivilegs der Städter - waren am Ende des Mittelalters an der Tagesordnung.
Verfassungswandel
Innerstädtische Streitigkeiten, die sogar zu offenem Aufruhr ("Uplop") auf dem Marktplatz geführt hatten, entzündeten sich 1343 an einer von dem bis dahin patrizisch besetzten Rat eingeführten Sondersteuer und führte zu Hildesheims erster "Revolution": Die selbstbewussten, vielfach nicht weniger finanzstarken Angehörigen der Handwerkergilden wollten nicht länger die Dominanz der alten Ratsgeschlechter erdulden und forderten eine Beteiligung am Stadtregiment. Seither (1345) wurde den Zünften eine Mitwirkung am Stadtregiment zugestanden. Die Stadtverfassung sah seitdem drei sich einander jährlich abwechselnde Ratsgremien vor.
Herbert Reyer (2006)